“Gut zeichnen können” – Was heißt das?
Was heißt “Gut zeichnen können”? Ab wann kann jemand gut zeichnen und was muss er wie zeichnen, damit es als “gut” gilt? Ist realistisch zeichnen “gut”?
Das findest du in diesem Artikel:
Gut zeichnen können – Was heißt das?
“Gut” ist ein sehr subjektiver Begriff. Denn was “gut” ist, bestimmt nicht immer der Zeichner, sondern andere, indem sie die Bilder bzw. das Können eines Künstlers bewerten. Markant ist dabei oftmals der Satz “Oh, du kannst aber gut zeichnen!”. Dass der Künstler nicht immer auch dieser Meinung ist, spielt dabei keine Rolle – für Außenstehende ist es dann gut.
Aber was heißt “gut” eigentlich? Ab wann kann jemand wirklich gut zeichnen? Diesen Fragen widme ich heute meinen Artikel. 😉
Wer sagt, was “gut” ist?
Eigentlich sollte man meinen, dass ein Zeichner selbst entscheidet, wann er gut zeichnen kann. Doch auch von außerhalb kommt die Bewertung der gezeichneten Bilder. Dabei habe ich erlebt, dass Menschen, die selbst gar nicht zeichnen, einerseits sehr “gönnerhaft” und anderseits besonders kritisch mit ihrem Urteil sein können.
Seitdem praktisch jeder im Internet unterwegs ist und jeder die Möglichkeit hat Inhalte zu publizieren, sind die Vergleichsmöglichkeiten für Laien (Nichtzeichner) größer geworden. Dass hinter hyperrealistischen Bildern jahrelange Übung steckt, es aber auch noch andere Techniken und Motive gibt, wird dabei gerne außer Acht gelassen. Der eigene Geschmack hat Vorrang bei der Bewertung des Könnens anderer. Dass sie selbst aber nicht einmal annähernd in der Lage wären etwas zu Papier zu bringen, stört dabei nicht, solange es der Kritisierte immer noch “schlechter” kann als das vermeintliche Vorbild (der Zeichner hyperrealistischer Bilder).
Dann gibt es noch die Nichtzeichner, die um die Schwierigkeit des Zeichnenlernens wissen und sich deswegen besonders leicht beeindrucken lassen (“Ich würde das nie so toll hinbekommen”). Diese Bewunderer setzen, im Gegensatz zum Kritiker, ihre Erwartungshaltung besonders niedrig an und negieren ihr eigenes Können bzw. Vermögen etwas zu erlernen.
Wer sagt eigentlich, dass etwas gut ist?
Nicht vergessen will ich in dieser Aufzählung natürlich auch die Zeichner, die andere Zeichner bewerten und das sowohl abhängig als auch unabhängig vom eigenen Können. Auch hier gibt es Unterschiede. Diejenigen, die akzeptieren (können), dass andere Zeichner andere Ambitionen in Sachen gut zeichnen können haben als man selbst, gönnen anderen ihre Erfolge, können (im Idealfall) aber auch anspornen noch besser zu werden. Und dann habe ich schon Künstler erlebt, die offenkundig gut, talentiert, geübt, oder wie auch immer man es nennen möchte, sind, aber an andere denselben Anspruch erheben, den sie auch an sich selbst stellen. Wer immer unterhalb dieses Anspruches zufrieden mit seinem Können ist, ist in deren Augen dann nichts wert.
Dazwischen gibt es jeweils natürlich auch noch Menschen, das sei an dieser Stelle noch erwähnt – die oben beschriebenen Typen sind Extreme, die ich allerdings schon erleben durfte/ musste. 😉
Kriterien nach denen ein Zeichner “gut” ist
Die Bewertung gut oder schlecht wird, wie oben bereits angeklungen, eher subjektiv gefällt. Doch kann man auch objektive Kriterien heranziehen, nach denen man Können beurteilen kann.
Ich selbst differenziere da gerne nach dem, was der Zeichner selbst können und machen möchte. Zeichnet bzw. malt jemand lieber abstrakt oder surreal, dann stelle ich diese Ergebnisse nicht auf einer Stufe mit denen, die lieber comichaft, in ihrem eigenen Stil oder doch lieber (hyper) realistisch zeichnen wollen.
Bei abstrakten Bildern sind subjektive Gefühle ausschlaggebend, und zwar abhängig von der gewünschten Bildaussage des Künstlers. Hier muss eine Bildaussage bzw. ein Gefühl übermittelt werden. Schafft es der Künstler Außenstehenden die Gefühlswelt zu vermitteln, die er auch vermitteln wollte? Spannungen z. B. durch Setzen von Kontrasten oder symbolischen Elementen machen ein Bild zudem interessanter.
Will jemand etwas aus dem Kopf zeichnen, dann ist als erstes relevant, ob das Motiv zweifelsfrei zu erkennen ist und ob die Proportionen und die Perspektiven in sich stimmig sind. Das kann auch realistisch oder im Comic- bzw. Mangastil gut beurteilt werden.
Hat jemand etwas abgezeichnet, dann ist entscheidend, ob das abgezeichnete Motiv ausreichend getroffen wurde. Auch hier sind Proportionen und Perspektiven die Kriterien, nach denen man das Bild bewerten kann.
Beim realistischen Zeichnen sind die Details entscheidend. Sind die Details ausreichend und korrekt gesetzt, um einen realistischen Eindruck zu vermitteln? Proportionen und Perspektive, sowie korrekte Schattierungen setze ich bei dem Ziel “realistisch zeichnen” dann voraus.
Speziell für unser Zeichnenforum haben wir eine Auflistung möglicher Bewertungskriterien zusammen gestellt, anhand dessen man Bilder beurteilen und kritisieren kann. Kritik geben will allerdings auch gelernt sein und dabei helfen diese objektiven Kriterien weiter.
Wie lernt man “gut” zeichnen?
Wenn man für sich “gut” definiert hat, gibt es nur einen Weg zum Ziel und der heißt Übung!
Dabei, finde ich, ist Vielseitigkeit nicht zu unterschätzen. Man kann sich an einem Motiv bzw. in einer Technik jahrelang trainieren, wird dann aber zum Fachidioten (Nerd), der dann praktisch nichts anderes als dieses Motiv und diese Technik beherrscht. Neugierig sein auf neue Materialien und Techniken hilft ungemein seinen eigenen Horizont und dabei auch seine eigene Definition von gut zeichnen können und seine eigenen Ziele neu zu definieren oder zumindest zu erweitern. Daher sehe ich neben der Übung das Ausprobieren und Experimentieren als einen Grundpfeiler des Zeichnen Lernens an.
Nebenbei steigert man so auch seine eigene Zufriedenheit und senkt die Frustrationsgrenzen, da man sozusagen sich immer wieder dazu zwingt Neuling in etwas zu sein. Neulinge können meiner Erfahrung nach besonders gut und schnell lernen, da die Lernkurve meistens anfangs besonders steil nach oben geht und dann nur noch sehr schleppend. Wechselt man am oberen Ende der Lernkurve dann das Feld, kann man frisch starten, die nächste Lernkurve zu erklimmen und erweitert so sein Portfolio und stellt sein Können breiter auf. 😉
Muss man gut zeichnen können?
Diese Frage beantworte ich kurz und knapp mit: nein, muss man nicht.
Man muss nicht gut in dem sein, was man tut, man muss in erster Linie Spaß haben an dem, was man tut. Wer Spaß an der Sache hat und sie deswegen immer wieder macht, wird sich zwangsläufig nebenbei verbessern bzw. wird routinierter (Routine ist nämlich auch eine Form von “gut”). 😉
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4 Kommentare
chrissi
In der Tat ein schwieriges Thema. Etwas nachdenklich stimmt es mich immer dann, wenn gerade noch junge Menschen schnell mit einem “das könnte ich nie!” dabei sind. Dabei haben genau sie das Potential alles zu lernen, was sie wollen. Wenn sie denn wollen – und dann vllt. mal den Fernseher aus lassen oder das Handy weg legen. Danke, dass du gerade zum Thema “jeder kann zeichnen lernen” immer wieder Beiträge hier verfasst. 🙂
Einen konstruktiven Austausch nach dem Muster “was könnte man beim nächsten Mal besser machen” finde ich irgendwie selten. Ich weiß aber auch ehrlich gesagt nicht, ob den immer jeder haben will. 😉
Zeichenkurs
Hallo Chrissi, danke für dein Feedback.
Ich finde es immer wichtig zu betonen, dass jeder das Potenzial hat alles zu lernen was er will, man muss nur anfangen und fleißig sein. 😉
Mit dem konstruktivem Austausch hast du Recht. Leider kann einerseits nicht jeder Kritik geben und andererseits nicht jeder welche annehmen. Wenn beides auf einmal zusammen kommt, ist es mit konstruktiv nur unmöglich.
Mia
Ein sehr sehr guter Artikel! Das Thema betrifft mich auch ganz oft :”D .. und zwar exakt.
Entweder ich werde schief angeschaut, weil ich ja “gern male” aber dabei nichts Fotorealistisches rauskommt, oder sie schleimen, und tun so als wäre alles reines Talent.
Ein Teufelskreis.
Zeichenkurs
Hallo Mia, danke für deinen Kommentar. 🙂
Ja, die Wahrheit liegt irgendwo zwischen schief angeschaut und angeschleimt werden. ^^