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Schärft Zeichnen den Blick fürs Detail?

Schärft Zeichnen den Blick fürs Detail? Schon mehrmals wurde mir gesagt, dass ich sehr aufmerksam bin und sehr detailliert Dinge wahr nehme und wieder gebe. Jetzt frage ich mich, ob das damit zu tun hat, dass ich viel zeichne oder zeichne ich, weil ich so ein Auge für Details habe?

Schärft Zeichnen den Blick fürs Detail?

Ist Zeichnen lehrreich für einen detaillierten Blick, oder hilfts eher dem Zeichnen? Das ist die Frage, die ich mir gestellt habe.

Gut, als mir die Idee zu diesem Artikel kam, erschien sie mir noch spannend. Doch kaum sitze ich vor dem Rechner und versuche in Worte zu fassen, was ein gutes Auge nun für das Zeichnen tun kann, schon fällt mir nichts Sinnvolles zu diesem Thema ein. Ich möchte den Artikel nun auch nicht ständig vor mir her schieben, so wie andere, arbeitsintensive und anstrengende Themen. Daher versuche ich meinen ursprünglichen Gedanken hierzu zu packen und aufzuschreiben, was ich mir dabei eigentlich gedacht habe. 🙂

Vielleicht ist die Frage aber auch eine klassische Henne oder Ei Geschichte?

 

Wie helfen Details beim Zeichnen weiter?

Wenn man es sich nicht grade zu seinem Zeichenstil auserkoren hat, so lebt ein Motiv ganz besonders von den Details. Die vielen einzelnen Feinheiten machen ein Bild besonders spannend und tragen im Wesentlichen zum realistischen Eindruck bei. Dabei muss man seinen Blick fürs Detail nicht nur auf die Schattierungen legen, sondern auch auf die vielen kleinen Dinge, die man auf den schnellen Blick ignorieren würde.

Um es einmal konkret zu machen: Schau dir das oben stehende Bild an. Was siehst du? Ein Auge von der Seite? Ein Auge einer Frau von der Seite betrachtet? Geh einmal in dich, und schau genau hin…

Spitzerreste vom Buntstift und zerknülltes Papier
Nicht gleich aufgeben

Ich sehe, ganz auf die Details konzentriert, Folgendes:
Ersteinmal das Offensichtliche, also vom Groben zum Kleinen – das Auge einer Frau, welches von der Seite aus gesehen ist. Links der Nasenrücken, welcher noch das zweite Auge anhand der Wimpern erkennen lässt. Der Nasenrücken ist sehr schön und ohne Unebenheiten geschwungen, das heißt, die Nase war nicht gebrochen. Über den beiden Augen sind die Augenbrauen in vielen einzelnen Haaren zu erkennen. Weiter zum äußeren Teil des Kopfes werden einzelne Haare der Augenbrauen schon hell blond. Ebenso die Wimpern; oben am Auge haben sie einen hellen Ansatz und werden dunkler. Am unteren Rand des Auges haben sie einen dunklen Ansatz und werden zu den Spitzen hin heller. Das untere Augenlid ist leicht gerötet, bis hin ins Violette. Am oberen Augenlid kann man leicht einige Äderchen in ebenso violett erkennen. Die Augenfarbe ist strahlend Blau mit hellblauen Einschlüssen, welche sich zu einem sternförmigen Ringmuster um die Pupille wirbeln. Am unteren Rand des Auges und am inneren Nasenrücken sind leicht hell braune Flecken zu erkennen, welche Sommersprossen sein können.

Und so weiter und so fort.

All diese Details müsste ich zeichnen, wollte ich das Auge besonders realistisch darstellen. Es fängt also bei den richtigen Proportionen an und arbeitet sich, an den Details gehangelt, Stück für Stück bis am Ende die Schattierungen alles abrunden.

Und genau dieser Blick fürs Detail ist auch mitunter gemeint, wenn von “Sehen lernen” beim Zeichnen die Rede ist.

 

Kann man lernen, sich auf Details zu konzentrieren?

Wer gehetzt durch die Gegend rennt und nur Termine, Planungen oder Alltag im Kopf hat, dem entgehen natürlich all die Details. In meiner Weiterbildung hatten wir in einer Unterrichtseinheit eine interessante Aufgabenstellung bekommen; wir sollten nach draußen gehen, uns in die Innenstadt setzen, und eine halbe Stunde lang die Gegebenheiten vor Ort beobachten. Dabei sollten wir alles aufschreiben, was wir mitbekommen haben.

Ich wurde freilich für meine besonders detaillierte Beschreibung gelobt. Doch die Frage, die sich stellt; kann man das erlernen?

 

Entspannung und Anspannung

Kommen wir deswegen zu dem nächsten großen Punkt, der, wie ich finde, sehr stark mit unserer Wahrnehmung zusammen hängt. Wenn man lernen möchte, Details stärker wahrzunehmen, muss man lernen sich selbst zu entschleunigen. Das bedeutet, man muss zu seiner eigenen inneren Ruhe kommen und erst einmal damit anfangen abzuschalten und zu entspannen.

Wenn ich im Stress bin, entgehen mir auch sehr viele Details, die ich vielleicht sonst mitbekommen hätte. Die Frage ob man überhaupt alles mitbekommen muss, stellt sich an dieser Stelle nicht – klar gibt es gute Gründe vieles mitzubekommen, aber auch vieles schlicht zu ignorieren (und die Kunst zu ignorieren ist leider auch nicht jedem gegeben, aber das ist ein anderes Thema 😉 ).

 

Abschalten und die Gedanken schweifen lassen

Neben den Vorteilen fürs Zeichnen, ist es auch für das innere Wohlbefinden sicherlich förderlich, einfach mal abzuschalten. Versuche dabei deine Gedanken auf das Gesehene zu fokussieren und nicht auf das, was dich so beschäftigt hat. Der Trick ist, den Alltag auszublenden und sich ganz auf das einzulassen, was man sieht, hört und fühlt.

In der freien Natur geht dies meiner Meinung nach besonders gut, da zum Beispiel Meeresrauschen oder Vogelgezwitscher eine entspannende Wirkung auf uns haben. Also: am besten auf eine Parkbank setzen, bei warmen Temperaturen Schuhe aus (ins Gras oder in den Sand mit den Füßen) und einfach mal nur fühlen und spüren wie es sich an den Füßen anfühlt. Dann versuch eine Beschreibung für dieses Gefühl zu bekommen und zwar in mindestens 5 ganzen Sätzen. Einzelne Wörter sind genau das, wovon wir weg wollen – Wortreichtum ist angesagt. 😉
Und besonders schön ist es, wenn man auf Wörter zurück greifen kann, von denen man lange glaubte, sie vergessen zu haben. Ha! Wieder ein positiver Nebeneffekt. 😉

Malen mit Wachsmalern 2
Mal die Farben kreisen lassen

Zeit ist ganz wichtig dabei. Setz dich nicht selbst dem Gefühl von Zeitdruck aus. Nimm dir so viel Zeit für den Moment, die du brauchst um jede Facette des Momentes zu erfassen.

Neben dem Fühlen ist Hören eben sehr wichtig. Da waren ja das bereits erwähnte Vogelgezwitscher und Meeresrauschen oder wie wäre es mit dem Rascheln der Blätter im Wind? Auch Geräusche, die dich an deine Kindheit erinnern, können (so denn positiv besetzt) wohlige Gefühle auslösen  – bei mir wären dies die Motorengeräusche eines kleinen Flugzeugs.

Gerüche und Geräusche können starke Assoziationen und Erinnerungen hervor kramen, wenn man sich darauf einlässt.

 

Alle anderen Sinne auch nutzen

Wenn man sich daran erinnert hat, dass man nicht nur den Sehsinn besitzt, und die Fähigkeiten dieser anderen Sinne wieder trainiert hat, kann man das Sehen hinzufügen.

Öffne in einer entspannten Situation, wie oben beschrieben, langsam die Augen. Das erste, was du bewusst wahrnimmst – darauf konzentriere dich! Versuche alles um dieses eine herum zu erfassen. Ist es vielleicht ein Vogel? Dann verfolge den Vogel mit deinen Augen und beobachte, was er macht. Nimm dir auch dafür ganz viel Zeit. Wenn der Vogel einen Moment nichts Neues tut, konzentriere dich auf seinen Schnabel. Hat er was darin gefangen? Was macht er mit seinen Augen? Scharrt er mit den Füßen? Wie sieht das Gefieder aus? Bei dunklen bzw. schwarzen Vögeln kann man sehr schön bunte Farben schimmern sehen. Kannst du das auch?

 

Konzentration am Zeichentisch

Auch wenn mich jetzt vielleicht beim Lesen, der ein oder andere belächelt und mein Geschriebenes mit “Esoterisches Geschwätz” abtut, so nutzen nicht Wenige das Zeichnen und Malen genau hierfür: zum Entspannen und Ausdrücken der eigenen Gefühlswelt.

Man kann nicht das Gefühlsleben ausblenden und motorisch nüchtern, nahezu einem Roboter gleich, sein Papier mit Details füllen. Gut, man kann schon. Dann ist es aber eben keine Kunst mehr, sondern reines Abarbeiten. Da mir persönlich das Zeichnen als Hobby Spaß machen soll, ist reines Abarbeiten an Details für mich dem Üben gleich zu setzen. Will ich mich aber in einem Bild ausdrücken, dann muss ich nicht nur die Hände, sondern auch eben meine Gefühle mit malen lassen.

 

Details vom Auge in die Hand

Realismus und Kunst müssen sich aber keineswegs ausschließen. Das will ich auch gar nicht so verstanden wissen. Denn es ist eine hohe Kunst viele Details in einem Bild einzubringen – nicht nur um einen realistischen Eindruck zu setzen, sondern auch um den Betrachter zu fesseln. Denn Details sind nur ein Merkmal von realistischem Zeichnen, aber man kann diese freilich auch für abstraktere Bilder einsetzen.

Jetzt muss man nur noch den Blick fürs Detail aufs Papier übertragen. Und da macht leider die Hand nicht immer das, was man sich so vorgestellt hat. Denn auch wenn man sich sein Bild im Kopf bis ins kleinste Detail schon ausgemalt hat, so braucht die Hand leider sehr viel Übung um auch eben jene so umzusetzen, wie wir das wollten. Dennoch; der Blick fürs Detail ist ein erster wichtiger Schritt hin dazu, Bilder, die wir im Kopf haben, überhaupt erst einmal entstehen zu lassen.

 

Ich bin froh, dass mir doch noch was zu diesem Thema eingefallen ist. ^^ Ohne Druck und mit der nötigen Ruhe klappt das nämlich auch. Denn: Schreiben ist wie Zeichnen, nur mit Worten. 😉

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2 Kommentare

  • Elisabeth Walbröhl

    Danke für diesen sehr guten Artikel, der nun überhaupt kein”esoterisches Geschwätz ” ist. Alles, was du schreibst kann ich nur unterstreichen.
    Es ist schon interessant, wie unterschiedlich Augen und Haut sind, wenn man sich alles ganz genau anschaut.
    Wenn man mit offenen Auge durch die Welt geht, gibt es so viel zu bestaunen und wer zeichnet, malt oder fotografiert hat immer ein offenes Auge.
    Nochmal Danke.
    Liesel

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